Armut bekämpfen, Arme beschimpfen

kronkorkenViele Berichterstattungen der letzten Zeit beschäftigen sich mit Armut in Deutschland, praktisch niemand will sie haben. Je nach politischer Aurichtung sind die angedachten Massnahmen zur Bekämpfung zwar unterschiedlich, aber der Tenor ist klar – ein reiches Land darf kein Armutsproblem haben.

Sobald es allerdings konkret um Menschen geht ändert sich die Richtung, der Einzelne ist stets irgendwie selbst schuld, oder einfach nur lächerlich. Ein Begriff wie „Hartz IV-Empfänger“ ist grundsätzlich negativ besetzt. Dumm, faul, dick, ungebildet, verantwortungslos, aber mit teurem Flat-TV ausgestattet [hier bitte weitere Stereotypen einfügen]. Sie werden in scripted-reality-Shows einer geifernden Meute ebenso vorgeführt, wie von vermeintlich progressiven Kräften in sozialen Netzen als Witzfigur benutzt. Im sogenannten Qualitätsjournalismus läuft es etwas perfider ab – dort werden arme Menschen gerne einfach negiert. Werden z.B. in einem bekannten Eliteinternat einige Kinder wohlhabener, gebildeter Eltern Opfer sexualisierter Gewalt erscheinen reihenweise Berichte und schon die Frage wie genau alles aufgearbeitet werden soll beschäftigt lange. Geht es um tausende Opfer, die jahrzehntelang in kirchlichen Kinderheimen mannigfaltig misshandelt werden kann man die Berichterstattung darüber schon suchen. EIn Schelm wer denkt das es nur daran liegt dass die Eltern der Opfer entweder unbekannt oder arm sind.

Aber es geht eben nicht nur um die finanziell motivierte Presse, soziale schweinNetze handeln ähnlich. Ein Aufruf irgendwie die Armut zu bekämpfen ist gern gesehen, erst recht wenn auch noch Kinder betroffen sind. Sich darüber aufregen wie ungerecht es im Lande zugeht ebenfalls. Sobald aber der Begriff Hartz IV fällt, geht das Niveau in unterste Regionen und der „Spass“ beginnt. Dann geht es um Trunkenbolde, faule LIDL-Kunden und legginstragende Fettmonster.

Ein Kommentar zu “Armut bekämpfen, Arme beschimpfen

  1. Über Armutsbekämpfung wird viel geredet. Wenn man genau hinschaut, haben nur sehr wenige Menschen, die ernsthaft Interesse daran haben, die Armut zu bekämpfen. Für die absolute Mehrheit, ist es schon getan, wenn hin und wieder die Obdachlose zum Essen alle in die Wirtshaus eingeladen werden. Dass die Obdachlose selbst ihr Essen bezahlen können, dass sie selbst Essengehen können, das kann sich niemand vorstellen, will auch niemand sich vorstellen. HartzIV bekämpft nicht die Armut, sondern macht die Arme direkt zum Außenseite, Ausgegrenzte, zum Sündenbock aller Probleme. Paradoxerweise wollen die Arme auch nicht, dass die Armut bekämpft wird. Ich arbeite für 10 € pro Stunden Brutto, das bedeutet, dass man 1600 € bei Vollzeitarbeit Brutto bekommt. Das ist arm. Wenn ich auf das Thema Niedriglohnarbeit anspreche, höre ich mein Kollegen, die ebenfalls wie ich 10 € pro Stunden bekommen, sagen: ‚du kannst ja andere Arbeit suchen.‘ Hier wird Opfer und Täter verwechselt. Das Opfer, der nur 10 € für seine Arbeit in der Stunde bekommt, ist selbe schuld, denn es kann nach anderen Arbeiten suchen, wobei die Niedrige Lohnarbeit sich verdreifacht hat. Meine Kollegen sagen: ‚in Deutschland geht es uns noch gut, in Spanien (oder Afrika oder China) da gibt es gar keine Arbeit.‘ Mit Probleme anderen Länder wollen wir uns von unsere Probleme ablenken. Die arme Leute selbe scheint damit einverstanden zu sein, dass sie durch ihre Arbeit arm werden, und arm bleiben. Ich höre Beamte sagen: ‚Deutschland hat ein gutes soziales Netz, ich weiß aber nicht, wie lang es noch finanzierbar ist, mein Freundin bekommt fast 2000 €, das ist viel Geld, das musst man erst verdienen.‘ (Verdienen bestimmt in Bezug auf HartzIVEmpfänger) Die Freundin hat 3 Kinder, somit müssen sie nicht 2000 € verdienen, sondern nur 1400 €. Wenn man allein oder zu Zweit nicht 1400 € verdienen kann, daran ist nur der Niedrige Lohn schuld.

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